Bericht vom AGA-Komitees Knie-Arthrose/Gelenkerhalt

Bericht des AGA-Komitees Knie-Arthrose/Gelenkerhalt

Datum: 07.04.2019


Update: Bedeutung des tibialen Slope für die Gelenkstabilität

In den letzten Jahre rückte der tibialen Slope bei Kniegelenksinstabilitäten vermehrt in den Blickpunkt. Der tibiale Slope beschreibt die Dorsalinklination des Tibiaplateaus und Werte zwischen 7 und 13° gelten als physiologisch. Auf Grund des nach dorsal geneigten Tibiaplateaus kommt es unter axialer Kompression und Quadrizeps-Zug zu einer anterioren Translation der Tibia (ATT) (siehe Abbildung 1).

 

Biomechanische Arbeiten konnten eine signifikante Korrelation zwischen dem Slope und der ATT zeigen: je steiler der Slope, desto ausgeprägter war auch die ATT. Daher beeinflusst der tibiale Slope die antero-posteriore Stabilität des Kniegelenks und damit auch die Belastung welche auf die Kreuzbänder und entsprechen auch auf eine Kreuzbandplastik einwirkt. Ein flacher tibialer Slope sollte entsprechend mit einer geringeren ATT und somit biomechanischen Vorteilen bei VKB-Rekonstruktion assoziiert sein, währen ein steiler tibialer Slope mit einer vermehrten ATT und somit biomechanischen Vorteilen bei HKB-Rekonstruktion assoziiert sein sollte.

Während diese Hypothese bis vor einigen Jahren v.a. eine theoretische Überlegung war, konnten in den letzten Jahren zahlreiche Studien die Bedeutung des tibialen Slope für die Belastung einer Kreuzbandplastik und der postoperativen Stabilität belegen. In klinischen Studien war ein steiler tibialer Slope assoziiert mit einer vermehrten ATT und einer höheren Versagensrate nach VKB-Plastik, wohingegen eine Slope-reduktion im biomechanischen Experiment zu einer Reduktion der auf das VKB-Transplantat einwirkenden Kraft führt. Für die hintere Instabilität konnte entsprechend gezeigt werden, dass die Belastung einer HKB-Plastik mit zunehmender Abflachung des Slopes zunimmt und dass die Reduktion der hinteren Schublade durch eine HKB-Plastik mit dem tibialen Slope korreliert, je steiler der Slope desto erfolgreicher war die Reduktion der hinteren Schublade.

Basierend auf diesen neueren Erkenntnissen sollte der tibiale Slope zumindest im Revisionsfall einer Kreuzbandplastik in die Versagensanalyse mit einbezogen und ggf. mit adressiert werden. Ob eine Slope-Modifikation bereits bei der primären Rekonstruktion in Erwägung gezogen werden sollte ist aktuell noch unklar und sollte Gegenstand zukünftiger Studien sein.

 

Bericht vom AGA-Akademiekurs

Vom 22. bis 23. März 2019 fand in Erlangen der AGA-AKADEMIE Arthroskopiekurs Knie, Gelenkerhalt unter der Leitung von Prof. Vogt und Dr. Geßlein statt. Thematisch ging es in dem Kurs um die Themen Knorpel und Meniskus, Bandrekonstruktion und patellofemorale Instabilität. Gerade in dem letzteren Gebiet hat sich mit der zunehmenden Verbreitung der Behandlung der Trochleadysplasie in den letzten Jahren einiges verändert. In dem ausgebuchten Kurs konnten die Teilnehmer die referierten Themen dann auch an insg. 16 Arbeitsplätzen ausgiebig praktisch üben (siehe Abbildung 2).

 

 

 

Bericht vom AGA Akademiekurs Knienahe Osteotomien und Endoprothetik in Salzburg von 15.11. - 16.11.19

Von 15.11. bis 16.11.19 fand in Salzburg der AGA Akademiekurs „Knienahe Osteotomien und Endoprothetik“ unter der wissenschaftlichen Leitung von Christian Patsch und in Zusammenarbeit mit der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg statt.

Veranstaltet wurde der Kurs im Wesentlichen vom AGA Komitee Knie Arthrose / Gelenkerhalt mit tatkräftiger Unterstützung von Georg Brandl und Florian Dirisamer.

Es wurde ganz bewusst Neuland betreten, indem auf die Präsentation von arthroskopischen Eingriffen völlig verzichtet wurde, dafür aber der Endoprothetik ein großer Stellenwert eingeräumt wurde. Entsprechend groß war die Nachfrage und der Kurs war früh ausgebucht.

Der erste Tag war den Osteotomien gewidmet. In jeweils einem theoretischen und einem praktischen Teil wurden die HTO und die DFO abgehandelt.

Die Vorträge brachten den Teilnehmern die Osteotomieplanung, die Indikationen und Ergebnisse, sowie OP-Technik mit Komplikationen und Pitfalls nahe. Florian Imhoff erweiterte das Spektrum noch durch seinen Vortrag über DFO bei Patellainstabilität. Der anschließenden Diskussion wurde viel Zeit eingeräumt, was von den Kursteilnehmern auch dankend angenommen wurde. Während bezüglich der HTO weitgehende Einigkeit herrschte, entzündete sich bei der DFO eine doch intensive Diskussion über die Frage ob die Open Wedge oder die Closed Wedge Technik die bessere sei. Erwartungsgemäß konnte keiner der vortragenden Experten von der jeweils anderen Technik überzeugt werden, es wurde aber doch für die Teilnehmer folgender Kompromiss formuliert:

Beide Techniken haben nebeneinander ihre Berechtigung. Der größte Vorteil der Open Wedge Technik liegt in der besseren Dosierbarkeit und damit höheren Genauigkeit. Der Nachteil der längeren Durchbauungszeit wurde durch die Entwicklung der biplanaren Osteotomie deutlich abgeschwächt.

Im praktischen Teil hatte dann jeder Teilnehmer die Gelegenheit eine Osteotomie selbst am Kadaver durchzuführen. Danke an die Firmen Arthrex (Peek Power Plate) und De Puy Synthes (Tomofix) für die Bereitstellung von Instrumentarien und Platten.

Der zweite Tag wurde der Endoprothetik gewidmet. Im theoretischen Teil wurden Indikationen, Ergebnisse, OP Technik und Komplikationen von Uni, Patellofemoraler Prothese und Knietotalendoprothese besprochen.

Nach neuerlich intensiver Diskussion konnten die Prothesen am Kadaver implantiert werden. Danke an die Firmen Arthrex (Uni), Arthrosurface (PFJ Wave) und De Puy Synthes (Attune KTEP) für die Unterstützung im Anatomielabor.

 

Natural Alignment

Da das Thema „Natural alignment“ im Rahmen der Diskussion für starke Kontroversen sorgte, hier eine kurze Abhandlung und Zusammenfassung.

Unter „Natural alignment“ versteht man die nicht vollständige Korrektur einer Varus- oder Valgusfehlstellung in die Neutrale im Rahmen der Knietotalendoprothetik. Es wird postuliert, dass die klinischen Ergebnisse besser und die subjektive Zufriedenheit der Patienten größer ist, wenn man einen kleinen Restvarus oder -valgus belässt. Die Arbeit von Erik Schiffner et al (J Knee Surg / Aug 2019) bestätigt diese Theorie. Etwas relativiert wird diese Ansicht durch Omer Slevin et al (Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc / Jun 2018). Diese Gruppe kommt zur Ansicht, dass viele Faktoren sich noch in Diskussion befinden, und empfehlen einen individuellen Zugang basierend auf dem jeweiligen Knie Morphotyp.

In der Tat sind viele Fragen noch offen :
Wie viele Grad sind „natural“ ?
Sind die klinischen Ergebnisse tatsächlich besser ?
Die aktuellen Implantate sind in der Regel für neutrale Ausrichtung konstruiert.
Führt natural alignment zu höherem Verschleiß ?
Ist es erforderlich spezielle Modelle zu entwickeln ?

Man kann gespannt sein in welche Richtung sich die Knieendoprothetik weiter entwickelt. Sicher ist heute auf jeden Fall eines: Eine Überkorrektur soll vermieden werden.

Dr. med. Christian Patsch
Leiter des Komitees
Orthopädie & Sportchirurgie
Linz-Puchenau, Österreich

 

Kontakt:

aga-komiteeschello.at